Doch nicht nur ein Dorf unterstand verschiedenen Herren, auch ein einzelner Bewohner musste oft mehreren Herrschaften dienen. Am Beispiel des Spitals Biberach soll hier die Vielfalt der Herrschaftsrechte dargestellt werden. Die Bauern hatten einen (oder auch mehrere) Grundherren, einen Gerichtsherren und manchmal einen Leibherren; weitere Abgaben beanspruchte der Landesherr und die Pfarrei. Zu jedem dieser Herren stand er in einem ganz bestimmten Rechtsverhältnis, das sich in vielfachen Abhängigkeiten, Verpflichtungen und Abgaben ausdrückte(2)
Dem Grundherren gehörte der Grund und Boden, den er an die Bauern verlieh, d.h. zu Lehen gab. Ihm standen Abgaben in Geld, Getreide und anderen Erträgnissen zu (s. auch Auszug aus Gültbuch des Spitalarchivs). Es waren dies vor allem die Gülten (Getreideabgaben) die Zinsen (Geldabgaben), die sog. Küchelgefälle (Anteile an Gemüse und Früchten aus dem Garten) und der Handlohn (Bei Übernahme des Lehens sowie bei Übergabe an die Erben nach dem Tod des Inhabers war noch ein sogenannter Handlohn zu entrichten). Lehensnehmer des Spitals mussten jährlich zu Fasnacht noch die sogenannte Fasnachtshenne abgeben, die auf die Lehenseigenschaft des Gutes hinweisen sollte. Auch dem Grundherren gegenüber waren manchmal Frondienste (Spanndienste, Straßenbau etc. ) zu leisten. Bei der Übernahme des Lehens wurde ein Lehensvertrag geschlossen, in dem Rechte und Pflichten der Vertragspartner festgelegt waren. Konnte der Bauer die Abgaben aufgrund von Teuerungen oder Missernten nicht leisten oder waren nicht genügend Rücklagen gebildet worden, um nach dem Tod des Lehensnehmers den Handlohn bezahlen zu können, mussten die Bauern ihre Höfe unter Umständen auch an den Spital zurückgeben oder die Bauernfamilie wurde von Haus und Hof vertrieben.
Hatte ein Bauern auch einen Leibherrn und unterstand damit der Leibeigenschaft, hatte er alljährlich eine kleine Abgabe, Leibzins oder Kopfsteuer sowie zu Fasnacht die Leibhenne zu bezahlen. Daneben mussten Frondienste geleistet werden, wie Transport- und Spanndienste oder Pflügen, Säen, Ernten, Mistfahren, Waldarbeit und Straßenbau. Die gemessenen Fronen, die ein für allemal auf eine bestimmte Zahl an Tagen im Jahr beschränkt waren, betrugen z.B. für das Spital in Memmingen 2-3 Tage, für das Kloster Ochsenhausen 16 Tage pro Jahr(3).
Daneben konnte der Leibeigene aber auch für ungemessene Fronen in Anspruch genommen werden, aber nur für ausdrücklich bestimmte Zwecke.
Beim Tod des oder der Leibeigenen stand die sog. Todfallabgabe, nämlich die Abgabe des besten Gewandes und des besten Stückes Vieh im Stall. Diese Abgabe war häufig in Geld umgewandelt worden.
Leibeigen wurde man meist durch Geburt, denn die Leibeigenschaft wurde über die Mutter weitervererbt. Man konnte sich aber auch in die Leibeigenschaft begeben, u.a. weil der Grund, den man zu Lehen nahm, mit der Leibeigenschaft verknüpft war. Ursprünglich war Leibeigenschaft ein Schutz gegen Kriegsdienstverpflichtungen gewesen.
Der Anteil der Leibeigenen in den einzelnen Herrschaften war unterschiedlich.
Im Biberacher Spital waren zu Beginn des 16. Jahrhunderts von 2300 Hindersassen (Untertanen) ca. 500 Leibeigene, eine relativ große Zahl, doch sollen dies vor allem Knechte und nur sehr wenige Bauern gewesen sein(4). Leibeigene waren einer Beeinträchtigung der Freizügigkeit und einer Beschränkung des Heiratsrechtes unterworfen(5) . Dem Leibherrn standen nur bestimmte, ganz begrenzte Rechte an dem Leibeigenen zu. Diese Rechte konnte der Leibherrn veräußern und damit auch den Leibeigenen weiterverkaufen(6).
Der Zehntherrn erhielt den sog. Zehnten, ursprünglich eine Abgabe an die Kirche, die z.B. durch Kauf, Schenkung oft in weltliche Hände gelangt war. Der Zehnte teilt sich in den Großzehnt, zu dem vor allem Roggen, Weizen, Hafer, Vesen (Dinkel), Raps und Gerste zählten und den Kleinzehnt zu dem Gemüse und Früchte, die vorwiegend im Gartenbau erzeugt wurden, wie Erbsen, Linsen, Wicken, Flachs, Bohnen und, gehörte.
Darüber hinaus gab es den Blutzehnt von Geflügel, Schweinen, Kälbern und Füllen bis zu den Bienen. Häufig war der Zehnte einer Ortschaft unter mehreren Zehntherren aufgeteilt.
Dem Gerichtsherrn standen ebenfalls eine Reihe von Rechten zu, vor allem die verschiedenen Geldstrafen der niederen Gerichtsbarkeit (s. auch Auszug aus Gerichtsbuch des Spitalarchivs) sowie die sog. Bannrechte z.B. für die Erteilung von Schank- und Spinnrechten. Auch für den Gerichtsherrn mussten in vielen Fällen Fronen geleistet werden, neben den bereits genannten Spanndiensten und Handfronen z.B. auch bei der Aufstellung eines Galgens(7).
Die Gerichtsbarkeit teilte sich in die niedere, d.h. die streitige Gerichtsbarkeit sowie die Verfolgung weniger schwerwiegender Vergehen und leichtere Verfehlungen, sowie in die hohe Gerichtsbarkeit, die sich auf schwere Vergehen und Verbrechen wie Raub, Mord, Brandstiftung und Meineid erstreckte.
Die Ortschaften waren, wie die Städte und auch die Orte in heutiger Zeit, von Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Schichten bewohnt. In den Dörfern gab es die Vollbauern, die eine für den Eigenbedarf übersteigende Quote für den Markt produzierten (ca. 1/4 des Getreidertrages) und die Seldner, die wenig Grundbesitz hatten der gerade für den Eigenbedarf reichte. Diese arbeiteten u.a. als, Bäcker, Schuster oder Tagelöhner. Daneben bewohnten die Dörfer auch landlose Handwerker wie Schneider, Weber oder Hafner, die keinen Grundbesitz hatten und nur ihrem Handwerk nachgingen, die Häusler, die lediglich ein Haus besaßen und die Beiwohner, denen nur eine Wohnung zugestanden war. Häusler und Beiwohner verdienten ihren Lebensunterhalt meist als Tagelöhner. An unterster Stelle stand das Gesinde.
Die Untertanen des Spitalgebietes bestanden zu ca. 47 % aus der Mittelschicht, ca. 37 % waren ohne Vermögen, ca. 14 % besaßen ein kleines Vermögen und waren auf einen Nebenerwerb angewiesen und ca. 1,8 % entstammten der Oberschicht(8).
Quellenangaben
(1) Adolf Waas: Die Bauern im Kampf um Gerechtigkeit 1300-1525, München 1964, S. 13
(2) Josef Erath: Mettenberg ein oberschwäbisches Dorf, Mettenberg 1974
(3) Hans-Hermann Garlepp: Der Bauernkrieg von 1525 um Biberach .a.d. Riß, Frankfurt
1987, s. 85
(4) Ludwig Ohngemach: Der Hl. Geist-Spital zu Biberach, in: Der Hospital zum Heiligen
Geist in Biberach, Biberach 1997, S. 113-114
(5) Hans-Hermann Garlepp: Der Bauernkrieg von 1525 um Biberach a.d. Riß, S. 85f
(6) Theodor Knapp: Der Bauer im heutigen Württemberg, Tübingen 1919, S. 128-136
(7) Theodor Knapp: Der Bauer im heutigen Württemberg, Tübingen 1919, S. 75
(8) Hans-Herrmann Garlepp: Der Bauernkrieg von 1525 um Biberach a.d. Riß, Frankfurt
1987, S. 121